Die enorme touristische Entwicklung der Rigi brachte eine zunehmend unübersehbare Veränderung des Landschaftsbildes mit sich. Zwar wurden dabei auch einzelne neue Lebensräume für Pflanzen und Tieren geschaffen. Besonders augenfällig war aber die Abnahme und das lokale Verschwinden besonders auffälliger Blumen wie Feuerlilien, Anemonen und Orchideen, speziell des Frauenschuhs.
Den zahlenmässig bescheidenen Sänften-Touristen der Oberschicht, welche in imposanten Hotelpalästen residierten, folgten bald Scharen von Dampf-Zahnrad-Bahn-Nutzern. Ein noch ausgeprägterer Massentourismus folgte dem Bau der Autobahnen und weiterer «Amerikanisierungen». Damit war der Berg in die Nähe gerückt und etablierte sich als Tagesziel. Ein prächtiger Blumenstrauss vom Berg war vor 50 Jahren noch gang und gäbe als Mitbringsel. Jetzt hatten einzelne der ursprünglich unzählbaren botanischen Schönheiten Mühe, ihre Standorte zu behaupten; ihnen drohte die Ausrottung.
Auf dieses Phänomen der Gier reagierte die Politik. Der Bund erliess am 1. Juli 1966 das Eidgenössische Natur- und Heimatschutz-Gesetz. Bald einmal wurde eingeteilt in gesamt-schweizerisch und/oder kantonal geschützte Pflanzen. Die Kantone legten Gebiete fest, wo alle Pflanzen unter Schutz stehen, bzw. Naturschutzgebiete zum Schutz von Fauna und Flora. Besonders sensibilisierte und initiative Bürgerinnen und Bürger gründeten Vereine, welche den Pflanzenschutz auf ihre Fahne schrieben. Dieses Ziel sollte durch allerlei Aktivitäten nach dem «Motto» Kennen – Schätzen – Schützen angestrebt werden z. B. Wachtorganisation, botanische Exkursionen und Schaffung eines Alpengartens. Zwei Jahre nach ihrer Gründung 1967 gab die Pro Rigi ihren Wächtern einen eigenen Ausweis. Erst 1977 legitimierten die Kantone LU und SZ die Wächter und Wächterinnen mit je einem offiziellen kantonalen Ausweis!
Ein eigentlicher Vorläufer der Botanisch-naturkundlichen Exkursionen war das zunehmend beliebte Rigi-Treffen, welches von der jungen Idealisten-Gruppe der Pro Rigi jährlich von 1969 bis 1986 als öffentlicher Anlass durchgeführt wurde. Mit wehender Vereinsfahne zog man zu einer Alp. Biologe und Seminarlehrer Präsident Ruoss und Gärtnermeister Wachtchef Karl Sidler und andere benannten die Flora am Wegrand. Bei der Alphütte, wo eine urchige Musik aufspielte, liess man es sich bei Speis und Trank wohl sein; Archivbilder belegen, dass anschliessend im Freien begeistert das Tanzbein geschwungen wurde.
Botanische Halbtages-Exkursionen fanden «für Rigi-Freunde und Hotelgäste» ab 1971 in Zusammenarbeit mit dem Kurverein Kaltbad und der Rigi Bahn statt. Die Leitung hatte anfänglich Dr. H. Wolff inne, Verfasser des Pflanzenbuches «Rigi-Flora». Später übernahmen Xaver Kneubühler, Rosa Wäfler (Rösli) und Karl Sidler. Vom Verkehrsverein Weggis organisierte Wanderungen im Naturschutzgebiet «Chestenenweid» wurden 1971 bis (mindestens) 1987 durchgeführt. An noch heute jährlich stattfindenden WächterInnen-Exkursionen wird die Weiterbildung in Botanik und vielen andern auf die Situation der Rigi zugeschnittene Themen wie Wildschutz im Winter, Bodenkunde/Geologie, Moorschutz, Land- und Forstwirtschaft betrieben. Ein Flyer von 1978 aus dem Archiv belegt, dass für die botanisch interessierte Allgemeinheit jeden Montag im Sommer gegen einen Unkostenbeitrag von fünf Franken eine botanische Führung angeboten wurde. Die Führung oblag dem Wachtchef Karl Sidler und Rösli Wäfler. Später kam die legendäre Bänder-Exkursion dazu. Sie konnte nur bei trockenen Wegverhältnissen stattfinden. Bis 2002 wurde sie von Konrad Strassmann und Erich Ramseier geleitet. Die Route führte vom Staffel auf dem Bänderweg zum Tristenbödeli und von hier steil aufwärts zum Kulm und war Trittsicheren, Schwindelfreien vorbehalten. Diese botanisch besonders ergiebige Route wurde durch Mundpropaganda so bekannt, dass die Teilnehmendenzahl auf bis über 30 Personen anstieg und schliesslich wegen der Absturzgefahr nicht mehr verantwortet werden konnte.
Bis 2014 führte Wachtchef Konrad Strassmann zusammen mit Erich Ramseier die mittlerweile als Botanisch-naturkundliche Exkursion bezeichneten Wanderungen durch. Vor Jahren durfte ich von Konrad Strassmann die Leitung der beliebten Exkursionen übernehmen. Jeden Mittwoch von Mai bis anfangs August wird die Route vom Leiter je nach Pflanzenblüte festgelegt; als Standard hat sich ab Kaltbad die bequeme – auch rollstuhlgängige – Wegführung nach First und via Felsenweg um den Schild sehr bewährt. Dafür brauchen wir meist rund drei Stunden. Drei Exkursionen werden an Samstagen ab Rigi Staffel durchgeführt.
In enger Zusammenarbeit mit den Rigi Bahnen organisiert Pro Rigi 15 bis 16 Exkursionen pro Vegetationsperiode. Die Anzahl Interessierter schwankte in den letzten Jahren zwischen eins und zwanzig; im Mittel wurden sieben gezählt. Wissensdrang und Eifer sind gross und – in aller Bescheidenheit – das Echo schlägt sehr positiv von den Nagelfluh-Wänden zurück!
Wohl schon seit den ersten Exkursionen standen die blühenden Blumen im Zentrum des Interesses. Daneben kamen aber auch Erkenntnisse der Entstehung der Pflanzenstandorte und die darauf einwirkenden Kräfte nicht zu kurz. Zunehmend mehr Gäste streben nach einem Verständnis von Zusammenhängen. Je nach Interesse und Gelegenheit wurden und werden deshalb neben Pflanzeneigenschaften auch andere passende, spannende Themenkreise angesprochen, so beispielsweise
- Beziehungen zwischen Pflanze und Standort (Pflanzensoziologie/Geobotanik)
- Pionierpflanzen und Pflanzen-Sukzession typische Pflanzengesellschaften (Mörtelfugen-, Kopfsteinpflaster-Gesellschaft)
- Koevolution von Pflanzen und von Insekten - Pflanzen-Inhaltsstoffe und ihre Bedeutung für Gesundheit und Medizin
- der Mensch als Landschafts-Gestalter (Verunstalter?)
- Land- und Forstwirtschaft als Voraussetzung für die Artenvielfalt
- Entstehung der Alpen, Voralpen, der Rigi (Molasse)
- Entstehung und Zusammensetzung der Nagelfluh (Biogene Sedimente)
- Bergstürze und aktuelle Gefahren an der Rigi
- Eiszeit an/auf der Rigi (Findlinge und Moränen).
Naturkundliche Exkursionen könnten von der Themenvielfalt her auf der Rigi prinzipiell das ganze Jahr den Besuchenden viel Interessantes bieten: Von der Samenverbreitung, Tierspuren und Tieren im Winter bis zu erdgeschichtlich-geografischen Erscheinungen aller Art. Dies ist vor allem eine Frage der Verfügbarkeit von genügend KursLeitern und Kursleiterinnen. Solche zu finden steht ganz oben auf der Vereins-Wunschliste. Die Leitung dieser Exkursionen ist eine sehr dankbare Aufgabe; fühlen Sie sich, liebe Leserin, lieber Leser nicht angesprochen? Melden Sie sich!